„Meister“

2022

Meister Aktenordner

42 x 59,4 cm (DIN A2) x 2 cm

Meister Telefon

29,7 x 42 cm (DIN A3) x 2 cm

Meister Zyklon B

21 x 29,7 cm (DIN A4) x 2 cm

Meister Kaffeefilter

21 x 14,8 cm (DIN A5) x 2 cm

Meister Alleskleber

10,5 x 14,8 cm (DIN A6) x 2 cm

Meister Zweikammer-Teebeutel

7,4 x 10,5 cm (DIN A7) x 2 cm

Meister kegelförmiger Bleistiftanspitzer

5,2 x 7,4 cm (DIN A8) x 2 cm

Meister Reißzwecke

5,2 x 7,4 cm (DIN A8) x 2 cm

Material:

Thermoplastik, Kaltasphalt, verzinkter Stahl

Deutschland hat den Ruf, das Land der Tüftler und Erfinder zu sein. 2021 stand es bei der Zahl der Patente, die beim Europäischen Patentamt eingereicht wurden, auf Platz zwei hinter den USA.

Ralph Baudach warf 2022 einen genaueren Blick auf deutsche Erfindungen und Patente aus dem 19. und 20. Jahrhundert. Ihm fiel auf, dass einige dieser deutschen Erfindungen inzwischen fest zum Büroalltag gehören und weltweit erfolgreich sind: der Aktenordner, das Telefon, der Kaffeefilter, der Zweikammer-Teebeutel, der kegelförmige Bleistiftanspitzer, die Reißzwecke. Diese Erfindungen unterstreichen das klischeehafte Image der Deutschen, das sie besonders im Ausland haben: gut organisiert, zuverlässig, ordentlich, effizient, aber auch etwas bieder und humorlos.

Noch wollte aus dieser Erkenntnis aber keine zündende Idee für ein Werk erwachsen.

Ralph Baudach fährt stets mit dem Fahrrad zu seinem Atelier. Wer viel Rad fährt, sieht viel Asphalt. Beim Blick auf das steinerne Grau unter den Reifen des Rads fügte sich eines Tages schließlich ein Teil zum anderen: Den Deutschen wird nachgesagt, sie hätten die Autobahn “erfunden“. Manch einer glaubt gar, Adolf Hitler höchstpersönlich wäre es gewesen. Deutsche Erfindungen, Asphalt, Autobahn, Hitler – da war die Idee zur Serie „Meister“ geboren.

Der Titel der Serie ist angelehnt an eine Zeile aus Paul Celans weltberühmtem Gedicht „Todesfuge“:

Der Gedanke, der hinter der Serie „Meister“ steckt, fußt zugleich auf dem Begriff der „Banalität des Bösen“. Es war die Philosophin Hannah Arendt, die diesen in Anbetracht der Taten und des Verhaltens Adolf Eichmanns bei seinem Prozess in Israel 1961 formuliert hat.

Ralph Baudach fasste den Entschluss, der Banalität der Bürogegenstände eine der verheerendsten deutschen Erfindungen entgegenzusetzen: das Giftgas Zyklon B, auch Blausäure genannt. Mit ihm wurden in Konzentrationslagern wie Auschwitz-Birkenau von 1941 bis 1945 mehr als eine Million Menschen industriell organisiert umgebracht. Es ist davon auszugehen, dass bei der Verwaltung dieses Massenmords auch die genannten Erfindungen aus dem Büroalltag genutzt wurden. In der Serie „Meister“ sind sie alle vereint – stumm und scheinbar gleichrangig nebeneinander stehend.

(...) der Tod ist ein Meister aus Deutschland (...)
— Paul Celan „Todesfuge“

Die einzelnen Silhouetten der Erfindungen besitzen Originalgröße. Sie bestehen aus Thermoplastik, also demselben Material wie Fahrbahnmarkierungen auf deutschen Straßen. Das Thermoplastik ist aufgebrannt auf Kaltasphalt, der wiederum in eine Wanne aus 3 mm dickem, verzinktem Stahl eingebracht ist. Aus dieser Art wetterfestem Stahl bestehen auch die Schutzplanken auf deutschen Autobahnen.

Die einzelnen Werke der Serie haben alle exakt DIN-Format: von DIN A2 bis DIN A8. Die Papier-Maße der Deutschen Industrienorm DIN gibt es so seit 1922. Die zugehörige DIN 476 diente als Basis für den internationalen Standard für Papierformate, die ISO 216. Die unschuldige DIN steht somit sinnbildlich für den internationalen Einfluss, den Deutschland einst hatte.

So wird die Serie „Meister“ in der Gesamtschau zu einem Kommentar über “das Deutsche“ in Historie und Klischee.